Da ist etwas in Gang gekommen

November. 2017
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Die Maya-Imkerin Leydy Aracely Pech Martin über den Einsatz der indigenen Gemeinden gegen Gensoja

Auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán wehren sich die Maya-Gemeinden gegen den Anbau von Monsanto-Gensoja und die Zerstörung ihrer natürli- chen Ressourcen. Ende September/Anfang Oktober 2017 schilderten die Maya-Imkerin Leydy Aracely Pech Martin aus dem Bundesstaat Campeche und die Agronomin Irma Catalina Gómez Gónzalez die Lage auf einer kleinen Rundreise durch Österreich und Deutschland. Unser Autor begleitete sie dabei und führte mit Leydy Pech ein Interview über die Situation in ihrem Bundesstaat.

Wird aktuell im Bundesstaat Campeche Gensoja angebaut?

Of ziell ist der kommerzielle Anbau von Gensoja in Campeche ausgesetzt. Ein Befragungsprozess der betroffenen Maya-Gemeinden läuft. Doch Proben, die sowohl wir als auch Behörden durchgeführt haben, belegen den illegalen Anbau. Wenn wir die Stichproben hochrechnen, dann handelt es sich bei mehr als der Hälfte der an- gebauten Soja in meinem Landkreis Hopelchén inzwischen trotz des geltenden Anbauverbotes um Gensoja. Dies wird nicht verfolgt, die Behörden spielen das herunter. Wir fragen uns zudem, wie das Saatgut in die Hände der Bauern gelangt. Es gibt keine effek- tiven staatlichen Kontrollen, die den Weg von der Herstellung des genetisch manipulierten Saatgutes bis auf das Feld kontrollieren. Monsanto streitet ab, das Saatgut weiter an die Bauern zu liefern. Bei dem Befragungsprozess beziehen die Regierungsstellen offen Stellung für die Gentechnik. Sie versuchen ein ums andere Mal, die Maya-Gemeinden zu spalten. Der Richter am Distriktgericht Campeche, der das erste für uns günstige Urteil sprach und uns in Anhörungen Gehör schenkte, wurde von der Justizbehörde versetzt.

Immer wieder hast du die Entwaldung in Campeche und in deinem Landkreis Hopelchén angesprochen. Was hat dies mit dem Anbau von Gensoja zu tun?

Sowohl Gensoja als auch konventionelle Soja werden als groß ä- chige Monokulturen angebaut. Den gep anzten und den geplan- ten Flächen steht der Maya-Urwald im Weg. Die Halbinsel Yucatán hat landesweit die höchste Entwaldungsrate, in Campeche sind zehntausende Hektar Wald verschwunden. Das ist so illegal wie die Gensoja, wird aber ebenso wenig verfolgt. Unsere Klagen vor verschiedenen Regierungsinstitutionen verlaufen im Sande. Die Rodung der Bäume geschieht oft nachts. So werden beispielswei- se enorme Eisenketten zwischen zwei schwere Landmaschinen gespannt und der Wald wird praktisch niedergemäht. Es tut weh, diese Zerstörung zu sehen.

Wird der Wald denn nicht in den Ejidos, in denen die Maya­ Gemeinden über die Landnutzung kollektiv und in Versammlungen entscheiden, geschützt und verteidigt?

Auf dem Ejido-Land ist das in der Regel der Fall. Auch den Wald außerhalb der Ejidos haben wir geschützt und sehen ihn als Teil des Maya-Territoriums an. Doch auf dem Papier ist es Staatsland im Bundesbesitz. Die letzten Regierungen haben es als brachliegendes, unproduktives Land bezeichnet und es vielfach den Mennoniten (protestantisch-fundamentalistische Religionsgemeinschaft – die Red.) verkauft, die sich vor einigen Jahrzehnten in Campeche angesiedelt haben. Diese haben ein ganz anderes Verhältnis zur Natur, es geht ihnen darum, so viel wie möglich aus dem Boden herauszupressen. Die Regierung stellt uns „kleinen Indios“ die Arbeitsethik der Mennoniten als Beispiel hin. Die Mennoniten ih- rerseits sagen, als Besitzer des Bodens mit gültigen Papieren kön- nen sie damit machen, was sie wollen. Auch wenn das so nicht stimmt. Es gibt derzeit ein sehr angespanntes Verhältnis zwischen Maya und Mennoniten.

Der Umgang mit dem Wasser ist ein weiterer Kon iktpunkt, oder?

Ja, in mehrfacher Hinsicht. Teile der Wälder waren früher in der Regenzeit über utet, das ist dem groß ächigen Anbau von Gensoja nicht dienlich. Die Sojabauern legten Deiche, Kanalsysteme und bis zu 80 Meter tiefe sogenannte Schluckbrunnen

an. Aus diesen wird kein Wasser gefördert, son-
dern in sie wird Wasser abgeleitet. So wurden
ganze Areale trockengelegt. Kilometerlange
Lagunen verschwanden vollständig. Wo früher
Wald und Grün ächen waren, nden wir heute
ödes Land vor. Auf der gesamten Halbinsel gibt
es so gut wie keine oberirdischen Flüsse, sondern
Lagunen und natürliche Brunnen, die Cenotes.
Das Wasser sickert durch den Karstboden, die
Halbinsel ist durch ein unterirdisches Fluss-
und Brunnensystem verbunden. Die intensive
Verwendung von Glyphosat bei der glyphosat-
resistenten Gensoja und generell von Pestiziden
 im konventionellen Anbau hat das Grundwasser auf der gesamten Halbinsel verseucht, wie verschiedene Untersuchungen gezeigt ha- ben. Durch die Schluckbrunnen schreitet dieser Prozess noch viel schneller voran. Von den Feldern gelangen die Gifte direkt in das Grundwasser. Im übrigen sind die Pestizde auch in Trinkwasser nachgewiesen worden, das in Flaschen gefüllt war. Glyphosat wur- de sowohl im Blut der Menschen, die auf dem Feld arbeiten, wie auch bei denen, die Hausarbeit verrichten, gefunden. Das heißt, wir sind alle dem Gift ausgesetzt.

Die Imkerei ist für viele Maya­Familien eine wichtige Einkommens­ quelle, du selbst arbeitest mit Wildbienen. Welche Gefahren seht ihr für euch?

Den Wildbienen fehlen die Waldblüten, insgesamt geht durch Abholzung, Besprühungen und die Monokulturen biologische Vielfalt verloren. Das Glyphosat tötet die Bienen im Gegensatz zu anderen Pestiziden nicht, aber es schwächt sie. Wir hatten zuletzt ein großes Bienensterben und wir sehen da einen Zusammenhang. Zudem produzieren wir hochwertigen Biohonig, der fast aus- schließlich nach Europa und vor allem nach Deutschland expor- tiert wird. Jede Kontaminierung mit Genpollen kann unseren Absatz zusammenbrechen lassen. Wir Mayas wollen auf unserem Territorium leben, wir können unsere Bienenstöcke nicht einfach woanders hinstellen. Darum ist es für uns so wichtig, dass sich der Anbau der Gensoja nicht durchsetzt. Ich kann meinen Bienen nicht verbieten, auf ein Feld mit Gensoja zu iegen, wenn sie wo- anders keine Blüten nden. Eine Koexistenz von Bio-Imkerei und Gensoja ist nicht möglich. Die Regierung macht den Vorschlag, wir sollten doch in die USA exportieren, wo die Anforderungen an die Honigqualität nicht so hoch sind. Für uns ist die nach- haltige Imkerei aber nicht nur Einkommensquelle, sondern Teil unserer Lebensphilosophie.

Was erwartet ihr von der Regierung?

Kaum noch etwas. Wir dürfen nicht immer nur auf die Regierung schauen, sondern müssen unsere Verantwortung übernehmen. Wir müssen Druck auf die öffentliche Politik ausüben. So hat der Kon ikt um die Gensoja dafür gesorgt, dass wir über unsere Rolle als Maya, über unser Territorium re ektiert haben. Es gibt neue Komitees in vielen Gemeinden, wir stimmen uns ab. Da ist etwas in Gang gekommen, was über das Thema Gensoja hi- nausgeht. Gleichzeitig suchen wir nach Allianzen, beispielswei- se mit dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte. Mit einzelnen Forscher*innen und Universitäten. Oder auch mit den Honigaufkäufern. Ursprünglich waren sie ganz herablassend, jetzt kommt auch von ih- nen Unterstützung.
Die Regierung will nicht verstehen, dass sie den Leuten die Dinge richtig erklären muss. Sie meinen, ein Treffen und das reicht dann. Die Regierung hat ihr Entwicklungsmodell, das auf die agroindustrielle Entwicklung ausgerichtet ist. Das ist nicht unsere Version. Wir Maya haben viel Wissen, es ist nicht verloren. Ein Beispiel sind Vorschläge für die Wiederaufforstung mit einhei- mischen, widerstandsfähigen Baumarten. Da gibt es viel Wissen über den Boden, die Keimlinge. Das müssen wir ausnutzen. Wir wollen unsere zerstörte Natur wieder herstellen. Die Regierung denkt immer nur alles in Geldbeträgen und Geldforderungen. Sie setzt auch auf unsere Ermüdung. Im kommenden Jahr sind Wahlen. Wir achten darauf, dass keine Kandidat*innen auf unsere Sache auf- springen. Es geht um Überzeugungen, nicht einzelne politische Parteien. Wir vermischen das nicht.

Interessiert denn die jungen Leute euer Einsatz überhaupt?

Wir arbeiten seit Jahren mit den jungen Leuten. Wir sind in die Schulen gegangen. Ich zum Beispiel habe ihnen gesagt, dass ihr hier sitzt, ist Verdienst eurer Eltern und Großeltern. Was werdet ihr für sie machen? Gerade in Hopelchén gibt es eine Reihe junger Leute, die sogar eine Universitätsausbildung absolviert haben und in die Gemeinden zurückgehen. In Ich- Ek, meiner Gemeinde, haben die jungen Leute ihr eigenes Komitee gegründet, sie haben ihren Hashtag revolución an­ titransgénico und tun sich mit jungen Leuten aus den ande- ren Gemeinden zusammen. Sie organisieren sich über die so- zialen Netzwerke, produzieren kleine Nachrichten und Videos über ihre Gemeinden. Sie besuchen die Orte, wo die größten Zerstörungen sind, wo sich die Schluckbrunnen be nden. Sie wollen Kampagnen machen, Plakate entwerfen, T-Shirts dru- cken lassen, vor der Gemeindeversammlung sprechen. Anfangs sagte ich ihnen, „ihr seid die Zukunft“, doch sie korrigierten mich. „Nein, Leydy, wir sind die Gegenwart.“ Nicht immer ist die Zusammenarbeit einfach. Die jungen Leute sind oft viel ra- dikaler, mehr auf Konfrontation aus. Aber wir müssen ihnen eine Stimme geben.

Das Gespräch mit Leydy Aracely Pech führte Gerold Schmidt im Oktober 2017.