Wenn's der Lobby nicht passt: Berufliche „Lynchjustiz“ gegen ExpertInnen

Wenn's der Lobby nicht passt: Berufliche „Lynchjustiz“ gegen ExpertInnen
von Angélica Enciso und Blanche Petrich
(Mexico-Stadt, 14. Februar 2012, la jornada-poonal).- Brillante Karrieren von BiologInnen, ChemikerInnen und TierärztInnen in verschiedenen Teilen der Welt sind zerstört worden, wenn das Erkenntnisinteresse über die Wirkung der Gentechnik auf Natur und menschliche Gesundheit mit dem Gewinndrang der Unternehmen zusammenstieß.
In dem Dokumentarfilm „Die Welt laut Monsanto“ von der französischen Journalistin Marie Monique Robin und dem Buch „Seeds of deception“ (In deutscher Übersetzung: Trojanische Saaten) von Jeffrey M. Smith werden einige Fälle dieser Lynchjustiz gegen Männer und Frauen aus der Wissenschaft dokumentiert.

1993 arbeitete der Tierarzt Richard Burroughs als Inspektor für Rinder und Milchprodukte in der US-Behörde für Nahrungsmittel- und Medikamentensicherheit. Als er Proben auswertete, die Aufschluss über die Folgen für mit dem bekannten und von Monsanto produzierten Wachstumshormon Posilac injizierten Kühe geben sollten, fiel ihm etwas auf. Es fehlten in bemerkenswertem Umfang Unterlagen. Zudem waren jene Daten, welche die Nachhaltigkeit der Droge belegen sollten, manipuliert. Burroughs machte seine Vorgesetzten darauf aufmerksam. Die Information gelangte an die Öffentlichkeit. Burroughs Entlassung folgte auf dem Fuß und dieser verbrachte mehrere Jahre seines Lebens damit, sich gegen die juristische Verfolgung zu wehren.
Entlassen nach unbequemen Publikationen
Die Firma Monsanto, Eigentümerin des Patents auf das Wachstumshormon für Rinder, behauptet, dieses sei „sicher und vorteilhaft“ für die Milchindustrie. 1998 nahm der Arzt Samuel Epstein, führendes Mitglieder der Koalition gegen Krebs, in seinem Büro mehrere Kisten in Empfang. Sie enthielten Originaldokumente von Untersuchungen, die Monsanto im Verlauf von sechs Jahren selbst über die Folgen der „Wunderimpfung“ angestellt hatte.
Nach einer umfassenden Durchsicht folgerte Epstein, dass die Impfung ein dramatisches Wachstum der Eierstöcke von Kühen, sowie Fortpflanzungsprobleme und Mastistis verursacht. Die Mastitis ist eine Entzündung der Zitzen, bei der Eiter in die Milch gelangt. Außerdem stellte er hohe Konzentrationen von Antibiotika in der Milch fest. Mit diesen Daten in der Hand reichten drei WissenschaftlerInnen, die in kanadischen Regierungsbehörden arbeiteten – Margaret Haydon, Gerard Lambert und Shiv Chopra – beim Gericht in Ottawa eine Klage ein, in der sie ein Anwendungsverbot dieses Hormons bei Rindern forderten. In dem Verfahren wies Haydon nach, dass Monsanto ihm „zwischen ein und zwei Millionen US-Dollar“ anbot, um seine Meinung zu ändern. Die WissenschaftlerInnen gewannen den Fall und die Impfung wurde in Kanada verboten (auch in der Europäischen Union darf sie nicht angewandt werden). Doch die drei KlägerInnen wurden umgehend wegen „Nichtbefolgung“ entlassen.
BürgerInnen als Versuchskaninchen
1998 gab es noch einen weiteren Fall. Arpad Pusztai, Biologe des Rowett-Instituts in Aberdeen, Schottland, bekam von den schottischen Behörden den Auftrag, mögliche Auswirkungen der Genkartoffel auf die Gesundheit zu untersuchen. Er kam zu dem Schluss, das in die Kartoffel eingesetzte Gen „Galanthus“ könne eine unterstützende Rolle bei der Entwicklung von Krebstumoren spielen. Seine Regierung genehmigte ihm ein Interview mit der BBC. In dem Interview erklärte Pusztai, es sei „ungerecht, die BürgerInnen als Versuchskaninchen zu benutzen“. Das geschah an einem Montag. Am darauffolgenden Donnerstag waren er und sein Team entlassen, ihre Karrieren geknickt. Ihren Erkenntnissen widerfuhr allerdings am Ende Gerechtigkeit. Ihre Studie wurde in der wichtigsten medizinischen Fachzeitschrift, The Lancet, veröffentlicht.

[Der Originalartikel erschien am 14. Februar 2012 in der mexikanischen Tageszeitung "La Jornada“. Der Text ist der fünfte von sieben Artikeln der AutorInnen zum Thema Gentechnik in Mexiko, die wir in den kommenden Wochen hier wiedergeben werden.]

Übersetzung: "Entre Campos & Entre Pueblos – Zwischen Land und Leuten“